Wandern auf dem Kleinbahngleis ist lebensgefährlich

 

Sächsische Zeitung
Dienstag, 3. September 2002

Brücke droht einzustürzen / Nur wenig Schäden zwischen Seifersdorf und Dippoldiswalde / Entscheidungen sind gefragt
Von Gunnar Klehm

Rot-weiße Absperrbänder werden von Spaziergängern einfach unterlaufen und Bauzäune aus den Verankerungen gehoben, ignorante Ausflügler machen derzeit einen Sonntagsspaziergang im Rabenauer Grund zum lebensgefährlichen Abenteuer.

Wo zuletzt einer der schönsten Wanderwege im Weißeritzkreis entlangführte, plätschert jetzt wieder die Weißeritz. Teilweise lassen nur noch einige Mauerreste und wasserumspülte Bänke erahnen, dass hier einmal ein Weg gewesen sein musste. Als Alternative sehen Unbelehrbare scheinbar den Bahndamm der Weißeritztalbahn an. Doch das ist nicht nur verboten, sondern auch lebensgefährlich. Für einen ersten verletzten „Wanderer“ musste bereits ein Notarzt gerufen werden. Besonders gefährlich ist die Situation der Brücke am Einsiedlerstein zwischen Coßmannsdorf und Rabenau. Das Gleisbett ist unbeschädigt, doch der Brücke fehlt der Mittelpfeiler. Den tonnenschweren Block hat die Weißeritz während der Flut unterspült und einfach weggerissen. Das Bauwerk wird nur noch vom Unterbau des Gleiskörpers zusammen gehalten und ist akut einsturzgefährdet. „Auch ich habe mich im ersten Moment täuschen lassen, doch der Schaden an der Brücke ist alles andere als harmlos“, sagt Ralf Kempe, vom Freitaler Kleinbahnverein.

Der Kleinbahnbetrieb musste vorläufig vollständig eingestellt werden. Der Schaden wird auf 15 bis 20 Millionen Euro geschätzt. Dennoch könnten mit relativ wenig Aufwand schon bald wieder die Kessel der Lokomotiven unter Dampf gesetzt werden. „Wenn jetzt Geld fließen würde, könnten wir in zwei oder drei Wochen wieder auf dem Abschnitt Seifersdorf – Dippoldiswalde fahren“, sagt Kempe. Auf dieser Strecke müssten lediglich 400 Meter Gleisbett für zirka 200 000 Euro erneuert werden. Würde dann noch ein Kilometer zerstörter Strecke in Ulberndorf repariert, könnte die Bahn sogar wieder von Seifersdorf bis Schmiedeberg fahren.

„Dieser Teilabschnitt würde uns schon weiterhelfen, denn wir müssen präsent sein, auch wenn wir wissen, dass die gesamte Strecke so schnell nicht wieder befahrbar gemacht werden wird“, sagt Kempe.

Als ein weiteres Ziel haben sich die Kleinbahnfreunde gestellt, bis zum Kleinbahnfest am 1. Advent die Strecke zwischen Freital-Hainsberg und Freital-Coßmannsdorf befahrbar zu machen. Für einen so genannten Etappenplan will sich auch Landtagsabgeordneter Roland Wöller (CDU) stark machen. „Bei allen Prioritäten, die nach dem Hochwasser gesetzt werden müssen, darf die Kleinbahn nicht vergessen werden“, sagt Wöller. Er will in dieser Woche ein Gespräch mit Ex-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) führen, um den bekennenden Eisenbahnfreund als Unterstützer zu gewinnen.

Viele Helfer gäbe es im Moment für den Wiederaufbau der Strecke. Täglich melden sich neue bei Kempe. Doch die zuständige Deutsche Bahn AG zögert, für solche Hilfsaktionen grünes Licht zu geben.

An dem Betrieb der Weißeritztalbahn hängen direkt 50 Arbeitsplätze. Die waren zuletzt damit beschäftigt, die geflutete Werkstatt in Potschappel zu reinigen. Auch Gastwirte und Hoteliers hoffen darauf, dass die Kleinbahn bald wieder Gäste zu ihnen fährt.

Dass die Strecke zwischen Freital-Hainsberg und Kipsdorf bedient werden muss, steht in einem bis 2011 laufenden Vertrag zwischen dem Verkehrsverbund Oberelbe, der die Strecke bestellt hat und der Deutschen Bahn, die den Betrieb an eine Tochtergesellschaft übertragen hat. Zurzeit fahren Ersatzverkehrbusse. Wann auf der Strecke wieder Kleinbahnen schnaufen werden, kann oder will bei der DB AG zurzeit niemand sagen.

„Die Solidarität, die wir jetzt erfahren, ist immens. Man lernt die Kleinbahn erst schätzen, wenn sie nicht mehr fährt“, sagt Kempe. Doch neben allen Solidaritätsbekundungen sind jetzt auch unternehmerische und politische Entscheidungen gefragt.

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Entnommen der SZ vom 03.09.2002 http://www.sz-online.de/news/artikel.asp?id=145076

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