Deutschlandtour auf schmaler Spur

 
 
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Eisenbahnfans wie die Brombachs sind aus dem ganzen Land angereist. Was sie an der Weißeritztalbahn finden.

19.06.2017
Von Franz Herz

ndtour auf schmaler Spur

Petra und Harald Brombach sind mit dem elfjährigen Carl bis von der Schweizer Grenze angereist, um beim Neustart der Weißeritztalbahn dabei zu sein. Sie kennen die Strecke seit 1990 und haben seitdem ihr Schicksal verfolgt. In die Freude über die erste Fahrt mischte sich bei Harald Brombach auch etwas Verwunderung. © Karl-Ludwig Oberthür

 

Hunderte jubeln am Sonnabend zu, als nach fast 15 Jahren Zwangspause zum ersten Mal wieder ein Dampfzug in Kipsdorf im Osterzgebirge anrollt.

Hunderte jubeln am Sonnabend zu, als nach fast 15 Jahren Zwangspause zum ersten Mal wieder ein Dampfzug in Kipsdorf im Osterzgebirge anrollt. © Egbert Kamprath

Dialekte aus allen Ecken Deutschlands sind zu hören. Alle wollen dabei sein, als der erste reguläre Zug nach 15 Jahren Zwangspause auf der Weißeritztalbahn am Sonnabend von Freital-Hainsberg bis nach Kipsdorf fährt. Die Waggons füllen sich langsam. Wer will, kann bei den Fahrgästen eine Deutschland-Rundtour machen.

Familie Brombach ist aus Wehr im Südschwarzwald an der Schweizer Grenze 750 Kilometer angereist, um bei dieser historischen Fahrt dabei zu sein. „Wir kennen die Bahnstrecke seit 1990. Damals haben wir in Malter Campingurlaub gemacht, Dresden besucht und sind mit der Bahn in beide Richtungen gefahren“, erzählt Harald Brombach. Ihn als Mechanikermeister fasziniert die alte Technik und die besondere Atmosphäre im Waggon mit Ofen und alten Leuchten. Die Familie hat das Schicksal der Bahn beim Hochwasser und den Wiederaufbau verfolgt. Nun wollen sie im richtigen Moment dabei sein.

Im nächsten Waggon sitzen Familie Werner aus Kurort Hartha und ihre Gäste Therese und Johann Eiben aus Aurich in Ostfriesland. Sie haben am Morgen in der Zeitung von der besonderen Fahrt gelesen und sich schnell entschlossen, dass auch sie kommen. Rolf Werner erinnert sich noch gerne an Skitouren in seiner Jugend. Von Freital aus ist er dazu mit der Bahn ins Osterzgebirge gefahren. Johann Eiben, der Werkzeugmacher und Eisenbahnfan, genießt das Erlebnis auch, weil es in seiner Heimat keine solchen historischen Bahnstrecken mehr gibt. Er hält die Nase in die Luft und zieht den Geruch des Kohlenqualms der Lokomotive ein. „Danach könnte ich süchtig werden“, sagt er.

An diesen Geruch müssen sich die Anlieger der Strecke von Dippoldiswalde aufwärts erst wieder gewöhnen. Hier beginnt der neu eröffnete Teil der Strecke. Fotografen begleiten diese Premierenfahrt schon von Freital an. Ab Dipps stehen jedoch wesentlich mehr Schaulustige am Bahnhof und entlang der Strecke, die Anwohner winken und die Bahnhöfe sind mehr oder weniger geschmückt. „Etwas mehr Festivität hätte ich mir vorgestellt zu so einem Anlass“, sagt Harald Brombach verwundert. Gefeiert wird erst in Kipsdorf. Am Autohaus Dippoldiswalde begrüßen fünf Autos mit einem Banner die Bahn. In Obercarsdorf ist der Bahnhof mit Birken verziert. Wimpel und Luftballons hängen an jedem Haltepunkt, auch am King-Haus in Schmiedeberg.

Die Deutschlandtour durch die Waggons führt weiter nach Schwerin. Dort hat sich früh um 6 Uhr Frank Mellin ins Auto gesetzt, um rechtzeitig im Weißeritztal zu sein. Meist steht er auf der Bühne vor dem Waggon und macht Aufnahmen mit seinem Handy. Der Mitarbeiter des Schweriner Nahverkehrs hat bereits drei Tage Urlaub festgemacht, damit er beim Schmalspurbahn-Festival am 15. und 16. Juli dabei sein kann. In Dippoldiswalde steigt Axel Stikklas zu, der aus Berlin angereist ist. Er hat im Internet vom Wiederaufbau der Weißeritztalbahn gelesen und sich gesagt: Da musst du dabei sein. Er fährt im ersten Zug bis Kipsdorf mit, will danach zurück bis Freital, um am Abend nach Hause zu seiner Frau zu fahren.

Die Deutschlandtour im Zugwaggon endet im Tal der Roten Weißeritz bei Tom Stephan. Der Schmiedeberger ist in Freital eingestiegen, um die ganze Tour mitzuerleben. Er ist mit der Bimmelbahn aufgewachsen. Seine Großeltern wohnen in Kipsdorf direkt am Bahnübergang. Mit ihnen ist er oft mitgefahren. Ihr Haus fotografiert er auch, als die Bahn daran vorbeifährt. „2001 bin ich zum letzten Mal auf der gesamten Strecke mitgefahren“, erinnert er sich. Damals war er noch Schüler. „Es hat die ganzen Jahre etwas gefehlt, als die Bahn nicht gefahren ist“, sagt er. So sehen das auch die Kipsdorfer, die ein Banner an die Strecke gestellt haben, in dem sie auf gut Erzgebirgisch schreiben: „Gute, alte Bimmalbah’, endlich bis du wieder da.“ Dann erreicht der erste fahrplanmäßige Zug mit Gästen aus ganz Deutschland Kipsdorf. Die Bahn ist angekommen.

 

Der Fahrplan: Drei Züge fahren täglich in Freital-Hainsberg ab, zwei bis Kipsdorf, einer bis Dippoldiswalde.

Sonderfahrten: Zu bestimmten Tagen sind Sonderfahrpläne vorgesehen. Der nächste Termin dafür ist das Schmalspurbahn-Festival am 15. und 16. Juli. Dann sind insgesamt 34 Fahrten ins Osterzgebirge geplant und ein Programm für die ganze Familie entlang der Strecke.

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