Erfolgsformel für die Weißeritztalbahn gesucht

 
 
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Vier Kommunen wollen ein Tourismuskonzept erarbeiten. Doch schon jetzt gibt es Diskussionen ums Finanzielle.

29.06.2017
Von Annett Heyse, Carina Brestrich und Mandy Schaks

rmel für die Weißeritztalbahn gesucht
So viel Publikum wie in Kipsdorf zur Wiedereröffnung der Strecke im Juni 2017 wird die Weißeritztalbahn nicht immer haben. Nun wollen alle Anrainer ein gemeinsames Tourismuskonzept erarbeiten und Angebote entlang der Bahn entwickeln.

© Egbert Kamprath

Freital. Sommerzeit, Reisezeit – dieser Spruch passt derzeit besonders auf die Weißeritztalbahn. Denn nachdem sie seit Mitte Juni wieder auf ihrer kompletten Strecke zwischen Freital und Kipsdorf rollt, ist das Interesse groß. Zwar habe man in der kurzen Zeit noch keine Fahrgastzahlen auswerten können, sagt Mirko Froß, Betriebsleiter bei der Sächsischen Dampfeisenbahngesellschaft. „Aber gefühlt sind die Züge derzeit sehr gut besetzt.“

Doch der Andrang wird nicht ewig anhalten, da sind sich viele einig. Deshalb wollen die Anrainergemeinden nun gemeinsam einen Projektmanager finanzieren, der ein Tourismuskonzept für die Strecke entlang der Bahn erarbeitet. Doch bereits der Start verläuft holprig, vor allem, was den finanziellen Aspekt betrifft. Eine Stadt kann nämlich gar nicht zahlen. Geplant ist, einen Experten für drei Jahre anzustellen. Federführend soll die Stadt Altenberg zuständig sein. Der Touristiker soll sich zusammen mit der Sächsischen Dampfeisenbahngesellschaft, der Interessengemeinschaft Weißeritztalbahn und den Anliegergemeinden entlang der Strecke um die Vermarktung kümmern. Der Projektmanager soll alle Ideen, die bisher entwickelt wurden, zusammentragen. Dann müsste er herausfinden, was die Gäste von der Weißeritztalbahn erwarten – von der Zugfahrt, aber auch von den Orten, in denen sie ankommt. Das wäre die Basis für die Bürgermeister und Stadträte von Freital, Rabenau, Dippoldiswalde und Altenberg, damit sie wissen, was zu tun ist, um die Fahrgastzahlen zu steigern. Der Projektmanager muss auch eng mit Behörden zusammenarbeiten, Angebote auf den Weg bringen und sich um Fördermittelanträge für weitere Investitionen bemühen.

Dippoldiswalde hat kein Geld

Finanziert werden soll die Stelle in Zusammenarbeit mit dem EU-Förderprogramm Leader. Die Kosten für die drei Jahre liegen bei 182 000 Euro. Über das Leader-Programm werden davon 80 Prozent finanziert, in die restlichen 20 Prozent – rund 36 400 Euro – sollen sich alle vier Kommunen teilen. Das wären für jede Stadt pro Kalenderjahr etwa 3 000 Euro. Keine große Summe eigentlich, aber die Stadt Dippoldiswalde ist so klamm, dass sie ihren Anteil nicht aufbringen kann. Der soll nun in gleichen Teilen von Freital, Rabenau und Altenberg bezahlt werden. Im Rabenauer Stadtrat sorgte das für Kopfschütteln. Hier ist man finanziell auch nicht gerade weich gepolstert. „Braucht man solch ein Konzept überhaupt und bringt es uns am Ende tatsächlich etwas ein oder kaufen wir die Katze im Sack?“, fragte Rainer Steyer (Wählervereinigung Pro Rabenau). Jens Hofmann, ebenfalls von der Wählervereinigung, äußerte: „Die Ideen sind doch schon da, wozu jetzt noch jemanden engagieren?“ Bürgermeister Thomas Paul entgegnete, dass es bisher immer die IG Weißeritztalbahn gewesen sei, die zusätzliche Angebote geschaffen habe, beispielsweise Braumeisters Dampfzug oder die Nikolausfahrten. „Der Tourismus ist unser zweites Standbein, da müssen wir um Gäste werben, auch mit neuen Initiativen“, so Paul. Die Potenziale seien längst noch nicht ausgeschöpft. Paul: „Viele Ideen sind da, aber es muss jemanden geben, der die Umsetzung anschiebt.“ Letztendlich beschlossen die Rabenauer, ihren Anteil beizusteuern.

Ähnliche Stimmen wurden auch im Freitaler Stadtrat laut. Dort sprach sich zwar wie in Rabenau und auch in Altenberg die Mehrheit für den Vertragsabschluss unter den Städten aus. Nicht aber ohne Kritik: „Man hätte sich schon eher zusammensetzen müssen“, sagte Linken-Stadtrat Michael Richter. Auch dass sich Dippoldiswalde nicht an den Kosten beteiligt, stieß bei einigen auf Unverständnis. Es handle sich um einen jährlichen Betrag, den man durchaus aufbringen könne. „Dippoldiswalde wird in größerem Maße profitieren“, sagte CDU-Fraktionschef Martin Rülke. Freitals Oberbürgermeister Uwe Rumberg (CDU) solle deshalb darauf hinwirken, dass es aus Dippoldiswalde in irgendeiner Form einen Ausgleich gebe. Vorstellbar wären beispielsweise Arbeitsstunden. Oberbürgermeister Rumberg selbst knüpfte außerdem eine Bedingunge an die Zusammenarbeit: Der dann in Altenberg ansässige Projektmanager soll einmal pro Jahr im Stadtrat über seine Aktivitäten berichten. Die Stelle soll jetzt beim Leader-Programm beantragt und zum 1. Januar 2018 besetzt werden.

Bei der Sächsischen Dampfeisenbahngesellschaft ist man trotz der Unstimmigkeiten froh, dass die Initiative für das Konzept kommt. „Es hat in den vergangenen Jahren vor allem für den unteren Teil der Strecke schon Aktivitäten gegeben, in die wir teils auch einbezogen waren“, berichtet Betriebsleiter Froß. Trotzdem sei man mit manchen Ideen an Grenzen gestoßen, weil die Kommunen nicht mit im Boot saßen. „Dass das jetzt ausgeweitet wird, ist gut und richtig. Es hätte früher sein können, ist aber definitiv noch nicht zu spät.“

Probleme an der Strecke gibt es genug. Da wären die Ruinen zwischen Dippoldiswalde und Ulberndorf oder das leer gefegte Kipsdorf. Der Luftkurort hatte einst eine florierende Gastronomie- und Hotellandschaft, galt als Ausflugsziel. Heute weisen hier noch ein paar Wanderschilder den Weg, viel mehr ist nicht übrig geblieben. Froß: „Da kann und muss man etwas entwickeln, aber das können wir als Eisenbahngesellschaft nicht alleine schaffen.“

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Kommentar: Warum erst jetzt?

Annett Heyse über das geplante Touristikkonzept

Wenn die Weißeritztalbahn in Richtung Kipsdorf dampft, rollt sie über zwei Abschnitte, die unterschiedlicher kaum sein könnten: Der erste Teil bis zur Talsperre Malter durchs enge Weißeritztal ist Natur pur, ein Genuss für alle Reisenden. Danach sieht die Landschaft entlang der Strecke nicht mehr ganz so attraktiv aus. Der Zug fährt vorbei an Dörfern, Lagerhäusern, Fabriken, Kläranlagen, Industrieruinen, Baufirmen.

Ja, es gibt zwischen Dippoldiswalde und Kipsdorf auch Wiesen, Wälder, Fluss. Aber kaum Gründe, hier auszusteigen, weil die touristische Infrastruktur weitestgehend fehlt. Ein paar Wanderwege machen eben noch kein Ausflugsziel. Wenn der Fahrgast dann an der Endstation den Zug verlässt, sieht er Hotelruinen, geschlossene Gasthöfe, eine Bundesstraße – Ausflugsstimmung kommt da kaum auf.

Doch es gibt sie, die Ausflugsziele. Man muss den Touristen nur mit der Nase darauf stupsen. Und es gibt viele Ideen, die Gegend attraktiver zu machen, neue Angebote zu entwickeln. Und bestimmt noch mehr Möglichkeiten als wir heute denken. Deshalb ist ein Konzept dringend notwendig, um den Bahntouristen aus dem Zug zu locken und zum Bleiben zu bewegen, bestenfalls zum Wiederkommen. Die Frage allerdings muss erlaubt sein: warum erst jetzt? Seit Jahren ist klar, dass der Abschnitt Dippoldiswalde-Kipsdorf wieder aufgebaut wird. Nun sind die Touristen da, aber die Angebote mau. Und was gibt es Schlimmeres als enttäuschte Touristen?

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