Den Bahn-Nebenstrecken droht das Aus

Quelle: sz-online/Sächsische Zeitung

Freitag, 25. Juni 2010

Weißeritz- und Müglitztalbahn sowie der Sächsische-Schweiz-Ring könnten betroffen sein. Landrat und Bürgermeister laufen dagegen Sturm.

Dem Bahnverkehr im Landkreis droht eine Katastrophe. „Allen drei Nebenstrecken, also der Weißeritztalbahn, der Müglitztalbahn und dem Sächsische-Schweiz-Ring, könnte im kommenden Jahr das Aus drohen“, sagt Landrat Michael Geisler (CDU).

Kann der Verkehrsverbund nicht woanders sparen?

Hintergrund ist die Ankündigung des sächsischen Wirtschaftsministeriums,  allen Verkehrsverbünden 7,5 Prozent der Zuschüsse zu kürzen. Der Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) müsste dann 8,4 Millionen Euro pro Jahr einsparen. Geisler, der auch Aufsichtsratsvorsitzender beim Verkehrsverbund ist, sieht da nicht viele Möglichkeiten.

Beim Busverkehr kann aus seiner Sicht nicht gekürzt werden. „Daran hängt der Schülerverkehr, und der muss gesichert werden.“ Bleiben die Bahnnebenstrecken. „Die Einstellung der eher touristischen Dampfbahnen würde uns aber allein gar nicht helfen“, sagt Geisler. Wenn Lößnitzdackel und Weiße- ritztalbahn nicht mehr über den Nahverkehr finanziert würden, käme man nur auf eine Einsparung von 4,4 Millionen, also gerade mal die Hälfte der nötigen Summe. „Wir müssen also wirklich an den großen Schrauben drehen.“

Sind weitere Kürzungen oder Tariferöhungen denkbar?

Aus Geislers Sicht sind neben den Kürzungen bzw. Stilllegungen der Bahnnebenstrecken auch weitere Tariferhöhungen nicht auszuschließen. „Der VVO rechnet gerade.“ Zudem stehen alle Investitionen auf dem Prüfstand. Das betrifft zum Beispiel weitere Übergangsstellen. Geplant sind sie u.a. in Bad Schandau und Heidenau sowie eine Erweiterung in Pirna. „Keiner weiß, wie es da weitergeht“, sagt Geisler. Und auch der zweite Abschnitt des Wiederaufbaus der Weißeritztalbahn und der Lückenschluss Dolni Poustevna – Sebnitz stehen derzeit in den Sternen.

Gibt es Widerstand gegen die Pläne des Freistaats?

Seit die extremen Sparpläne des Freistaats Sachsen bekannt sind, formiert sich Widerstand. In Sebnitz hat der Rat eine Unterschriftenaktion „Hände weg vom Sächsische-Schweiz-Ring“ initiiert. Zugleich hat sich OB Ruckh (CDU) an alle Anliegergemeinden des Sächsische-Schweiz-Rings gewandt und um Unterstützung geworben. „Lohmen hat bereits Zustimmung signalisiert“, sagt Ruckh. Die Bürgermeister wollen weder eine Ausdünnung des Fahrplans noch eine Stilllegung zulassen. Zum Lückenschluss Sebnitz – Dolni Poustevna erklärt Ruckh: „Wir würden uns bei unseren tschechischen Nachbarn bis auf die Knochen blamieren, wenn wir das zurückdrehen.“

Auch der Freitaler Oberbürgermeister Klaus Mättig (CDU) und sein Dippser Kollege Ralf Kerndt (Freie Wähler) warnen davor, den Rotstift beim Nahverkehr zu stark anzusetzen. „Die zu erwartenden Einsparungen stehen in keinem Verhältnis zum entstehenden Schaden“, sagt Mättig. Er hält es allerdings ebenso wie Kerndt für vorstellbar, die Weißeritztalbahn tagsüber weniger oft fahren zu lassen. „Sie spielt für den Schüler- und Nahverkehr kaum eine Rolle“, sagt Kerndt. Den Wiederaufbau bis Kipsdorf wollen beide aber nicht infrage gestellt wissen.

Geschockt reagiert Altenbergs Bürgermeister auf die Gefahr, dass die Müglitztalbahn eingestellt werden könnte. „Das wäre furchtbar!“, sagt Thomas Kirsten (Freie Wähler). Die Bahn sei ein ganz wichtiges Verkehrsmittel für den Schüler- und Berufsverkehr sowie für Touristen. Kirsten hofft, dass es nicht zu einer Stilllegung kommt.

Sind Stilllegungen rechtlich überhaupt möglich?

Zu prüfen ist, ob der VVO überhaupt Bahnlinien so ohne Weiteres stilllegen kann. Schließlich hat er langfristige Verträge mit der Deutschen Bahn bzw. der Sächsischen Dampfeisenbahngesellschaft. „Der VVO prüft derzeit, welche Möglichkeiten es gibt“, sagt Landrat Geisler. Sein Kenntnisstand sei, dass über die gesamte Vertragslaufzeit 20 Prozent der Leistungen gekürzt werden könnten, pro Jahr maximal fünf Prozent. „Damit kommen wir aber nie auf die geforderte Einsparung von 8,4 Millionen Euro“, so Geisler. Kommentiert wird das im sächsischen Wirtschaftsministerium nicht. „Der Minister äußert sich zu dem Thema nicht, bevor es nicht im Landtag diskutiert wurde“, sagt Sprecherin Martina Pirk.

Wie will der Landrat jetzt weiter vorgehen?

Geisler sieht derzeit nur eine Möglichkeit, das Horror-Szenario noch abzuwenden: „Wir müssen den Widerstand organisieren.“ Er hat gestern allen betroffenen Bürgermeistern ein Fax geschickt und zur Gegenwehr aufgerufen. Ein ähnliches Schreiben bekommen die Landtagsabgeordneten der Regierungskoalition. Geisler: „Wenn noch jemand das Schlimmste verhindern kann, dann der Landtag, der die Kürzungen mit dem Haushaltsplan beschließen muss.“
Artikel-URL: http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2496345

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