Streifzug durch eine Drogenkarriere

 
 
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Realistisch, drastisch, lehrreich – der Revolution Train hält in Freital. Sein Team will Jugendliche aufrütteln.

08.06.2018
Von Annett Heyse

 durch eine Drogenkarriere
Pavel Tuma reist mit seinem Revolution Train durch deutsche Städte, um über Drogenmissbrauch aufzuklären. Am Freitag und Sonnabend steht der Zug in Hainsberg. Die Aktion wird durch zahlreiche Sponsoren finanziert. Neben geladenen Schulklassen können auch Bürger zu einer Führung kommen.

© Andreas Weihs

Freital. Das Licht im Inneren der Waggons ist schummrig, der Fußboden kaum noch zu erkennen. Es geht durch einen Tunnel und über eine schmale Gangway. Unsicher setzen die Besucher einen Fuß vor den anderen. „Und das ist erst der Anfang, noch geht es nur um Alkohol“, sagt Pavel Tuma. Tuma ist Tscheche und sozusagen der Lokomotivführer eines ganz besonderen Zuges. Revolution Train nennen sich die sechs Waggons, die nun zwei Tage auf einem Abstellgleis des Hainsberger Bahnhofes stehen. Der Zug ist eine mobile Anti-Drogen-Kampagne.

Wer vorn einsteigt und nach gut einer Stunde hinten angelangt ist, durchläuft und durchlebt im Zeitraffer eine Drogenkarriere. Abwechselnd gezeigt werden Filme und Schauplätze: Es geht um die ersten Kontakte mit Alkohol und Tabak an einer Discobar, um das Probieren von Rauschgift, um einen Verkehrsunfall im Drogenrausch, gezeigt wird eine Arrestzelle, ein Vernehmungsraum bei der Polizei und ein völlig verwahrloster Wohnraum eines Heroinabhängigen. Ganz am Schluss kommt man an einer Dreckecke vorbei, auf dem die Polizei mit weißer Kreide die Umrisse des Drogentoten aufs Pflaster gezeichnet hat. Tuma gibt zu, dass sein Anti-Drogen-Zug nicht nur realistisch ist, sondern auch auf Schockeffekte setzt: Der Protagonist im Film stirbt an einer Überdosis. „So wie mein Freund vor 18 Jahren.“

Es geht Pavel Tuma aber nicht um die persönliche Aufarbeitung eines Traumas. „Mit den Drogen fängt es immer ganz unschuldig an: Mal eine Zigarette, ein Glas Alkohol, etwas Marihuana. Ich möchte, dass das die jungen Leute erkennen und sich bewusst sind, was sie zu sich nehmen. Denn am Ende knüpft eine Abhängigkeit an die nächste.“ Am Ende könnte der Drogentod lauern. Auch in Freital.

Tschechien, wo eine der verheerendsten Mode-Drogen, Crystal Meth, hergestellt wird, liegt nicht weit entfernt. Die Polizei registrierte im vergangenen Jahr eine Zunahme der Rauschgiftdelikte in Freital. Von 2016 zu 2017 stieg die Zahl um 42 Prozent. Das lag an der Zunahme der Kontrollen. Einerseits. Andererseits scheint ein Markt vorhanden zu sein.

Simone Lehmann arbeitet beim Kinder- und Jugendhilfeverbund und managt ein Team von vier Leuten, das an Freitaler Schulen unterwegs ist. „Das Thema Sucht begegnet uns schon da, das ist beängstigend“, sagt sie. Und das Einstiegsalter sinkt. Bereits mancher Grundschüler würde an der Zigarette ziehen. Daher ist man über jede Unterstützung dankbar, auch das der Revolution Train nun in Freital Station macht. Das Projekt war bereits in vier Staaten unterwegs, stoppte in 80 Städten und hatte rund 80 000 Besucher. Unumstritten ist es jedoch nicht. „Es ist drastisch, was hier gezeigt wird“, sagt auch Sozialarbeiterin Lehmann. Sie selbst findet das Programm gut.

Pavel Tuma, der als Planer einst Spielplätze entwarf, sagt, der Tod seines Freundes sei ein Impuls gewesen, in die Drogenaufklärung zu gehen. „Aber die Kinder finden es langweilig, wenn jemand vor ihnen steht und einen Vortrag hält.“ So kam er auf die Idee mit dem rollenden Museum. An jeder Station verbringen die Gäste acht Minuten, dann geht es weiter. Tuma: „So kommt gar keine Langweile auf.“ Und der Besuch des Zuges ist nur ein Puzzle-Teil der Kampagne. Eingebunden sind Sozialarbeiter, Suchtberater und die Drogenaufklärer bei der Polizei. Sie schließen sich an und werden in einigen Wochen an den Teilnehmerschulen unterwegs sein.

Der Revolution Train ist für alle Interessierten am Freitag von 16 bis 18.20 Uhr und am Sonnabend von 10 bis 16 Uhr für Führungen geöffnet. Am Sonnabend, 18 Uhr, gibt es zudem eine Lesung mit Petra Höpfner. Die Vogtländerin hat ein Buch über ihren Sohn geschrieben, der an Drogen starb. Am Montag und Dienstag ist der Zug im Dresdner Hauptbahnhof, jeweils ab 16 Uhr am Gleis 17.

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