Der Herr der Lok

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Raimo Pohlmann ist seit 30 Jahren Lokführer. Er hat alles gemacht, was mit einer Dampflok geht – und hat einen Wunsch.

19.07.2015 Von Andrea Schawe

der Lok
Seit 30 Jahren ist der Führerstand einer Dampflok Raimo Pohlmanns Arbeitsplatz. Er ist Lokführer bei der Weißeritztalbahn.
Foto: Andreas Weihs

Aufmerksam hört Raimo Pohlmann auf dem Führerstand der Lok dem Funkspruch zu. Der Zugführer sagt, dass Zug Nummer 5002 nicht in den Bahnhof Malter einfahren kann und warten muss, weil eine Gegenbahn dort steht. „Man muss seine Gedanken zusammenhaben“, sagt der Lokführer, greift zum Mikrofon direkt über seinem Kopf und wiederholt den Funkspruch. „Sonst kann es passieren, dass sich zwei Züge gegenüberstehen“ – wie 2009 auf der Strecke der Lößnitzgrundbahn. „Vor allem an so einem Tag wie heute“, sagt Pohlmann. Denn auf der Strecke der Weißeritztalbahn ist mehr los als sonst, zum siebenten Mal feiert die Schmalspurbahn ein Fest. „Da sind wir mit drei Zügen unterwegs.“ Sonst fährt nur einer die 15 Kilometer lange Strecke von Freital-Hainsberg nach Dippoldiswalde und zurück.

Es ist Raimo Pohlmanns zweite Fahrt an diesem Sonntagmorgen, die erste startete schon um 7.42 Uhr. „Aber wenn viele Leute mitfahren, macht die Arbeit auch mehr Freude“, sagt der 54-Jährige.

Seit 30 Jahren ist er Lokführer bei der Weißeritztalbahn. Genau am 29. April 1985 absolvierte er auf einer Dampflok seine Prüfung. „Ich wollte schon immer Lokführer werden“, erzählt er. Als Jugendlicher hat er bei der heutigen Parkeisenbahn im Großen Garten in Dresden mitgearbeitet. „Der Traum jedes Jungen, der dort Loktechniker war, war, irgendwann Lokführer zu werden.“ Pohlmann wird aber erst Elektriker für Schienenfahrzeuge, das hängt er später für eine Lehre als Heizer auf der Lok an den Nagel. 1980 bewirbt er sich für die Schmalspurbahn in Hainsberg, arbeitet dort als Lokheizer. „Da hat man als junger Mensch immer bei den alten Kollegen gefeuert. Da konnte man was lernen“, erzählt er. Nach der Armee ging es zur Lokführerschule nach Güstrow und nach 60 Schichten Lehrausbildungsfahrten auf der Dampflok war es geschafft.

Raimo Pohlmann ist kein fanatischer Eisenbahnfan, „ich mach das ja beruflich“. Auf der Lok ist er sein eigener Herr. „Wenn ich aus dem Bahnhof raus bin, dann ist es allein mein Ding, was ich mache.“ Außerdem werde eine Dampflok auch nach 30 Jahren nicht langweilig, alles muss per Hand bedient werden. „Die Maschine ist eine Herausforderung. Man muss sie kennen“, sagt er. Da muss er nicht mit einer elektrischen Lok im ICE nach Hamburg fahren, das mag für junge Leute interessant sein. „Aber Diesellok fahre ich gern mal.“

Mittlerweile hat Pohlmann alles gemacht, was auf einer Dampflok geht – Personen- und Güterverkehr, Rangieren, Lokführerausbildung. Er ist sogar mal für die Versuchsanstalt Maschinenwirtschaft gefahren. „Die haben in den 90ern mit Öl getestet“, erzählt Raimo Pohlmann. Seine Dampflok simulierte die Last. „Ich hatte einen Tacho mit sieben Stellen nach dem Komma vor mir und musste mit Bremse genau 15 Kilometer pro Stunde fahren.“

Dass Pohlmann seinen Beruf mag, sieht man ihm an. Mit einem Lächeln im Gesicht winkt er den Passanten am Wegrand zu und erklärt, wie die Steuerung funktioniert, wie der Dampf geregelt wird und dass zweimal mit der Dampfpfeife pfeifen an manchen Bahnübergängen Pflicht ist. „Ich habe meinen Platz gefunden.“

Allerdings ist der Freitaler nicht ganz wunschlos: „Ich würde gern als Erster die Strecke nach Kipsdorf fahren“, sagt er. Seit dem Hochwasser 2002 ist der Abschnitt stillgelegt. Pohlmann war auch der Erste, der 2008 auf dem wieder aufgebauten Teilstück zwischen Freital und Dippoldiswalde gefahren ist. Die Chancen, dass das klappt, stehen gut: Zur Eröffnung des Festes kündigten die Sächsische Dampfeisenbahngesellschaft und der Freistaat nach langen Verhandlungen an, dass der Abschnitt gebaut werden kann. Mit dem Fahrplanwechsel 2016/2017 sollen die Züge wieder bis Kipsdorf fahren. „Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben“, sagt Pohlmann.

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