Wie weit reicht der Dampf?

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Die Weißeritztalbahn soll in diesem Jahr in Kipsdorf ankommen. Ein erster Fahrplan-Entwurf sorgt für lange Gesichter.

03.08.2016 Von Mandy Schaks

reicht der Dampf?
Erst ließ der Wiederaufbau der Weißeritztalbahn Jahre auf sich warten, nachdem die Strecke bei der Flut 2002 zerstört worden war. Nun ringen schon seit Monaten Verkehrsverbund Oberelbe und der Betreiber der Strecke, die Sächsische Dampfeisenbahngesellschaft, um eine Lösung, wie der Fahrplan bis Kipsdorf aussehen könnte.

© Egbert Kamprath

Dippoldiswalde/Freital.Jan Kempe sieht es schon vor seinem geistigen Auge: Wenn die Weißeritztalbahn in diesem Jahr endlich am Bahnhof Kipsdorf ankommt, müssen gleich am Bahngelände riesengroße Info-Tafeln stehen mit Ausflugstipps. „Die Fahrgäste, die hier aussteigen, müssen sofort sehen, was sie von hier aus unternehmen können“, sagt der Chef vom Naturhotel Gasthof Bärenfels. Kempes Berufskollegin nickt. „Am besten wäre, wenn schon im Zug Flyer über die Region ausliegen, die jeder mitnehmen kann“, sinniert Ines Schubert, die Direktorin vom Best Western Hotel Stephanshöhe in Schellerhau. Doch dafür müssen die Züge erst mal bis Kipsdorf fahren. Gebaut wird an der flutzerstörten Strecke zwischen Dippoldiswalde und Kurort Kipsdorf inzwischen emsig. Doch als ein erster Fahrplan-Entwurf des Verkehrsverbundes Oberelbe Ende Juni durch die Sächsische Zeitung öffentlich wurde, wussten Gastronomen und Hoteliers im Osterzgebirge im ersten Moment nicht, ob sie lachen oder weinen sollten. Das Geld zum Betrieb der Weißeritztalbahn reicht hinten und vorn nicht. Damit überhaupt auf der gesamten Strecke Züge rollen können, sieht deshalb der Musterfahrplan künftig täglich nur noch zwei Fahrten von Freital-Hainsberg bis Dippoldiswalde und zurück vor, jetzt sind es sechs. Und bis Kipsdorf soll lediglich einmal am Tag ein Zug unterwegs sein. Zu Feiertagen oder an ausgewählten Wochenenden könnte dann noch die eine oder andere Fahrt dazukommen. Doch das kann Hotel-Chefin Ines Schubert aus Schellerhau wenig trösten. „Ich gehe davon aus, dass die Bahn wiederaufgebaut wird, um unser Gebiet hier oben auch touristisch attraktiver zu machen“, sagt sie. Zum einen sei aus Sicht der Branche ein Ziel, Tagesgäste zu gewinnen. Zum anderen wolle man mit dem Highlight, der dienstältesten Schmalspurbahn Deutschlands, werben und so die Belegung in den Gästehäusern steigern. „Wie das aber jetzt aussieht, kann ich kein einziges Zimmer zusätzlich verkaufen, wenn nur einmal am Tag die Bahn fährt und so nur von Kipsdorf nach Freital“, zeigt sie Konsequenzen auf. „Unsere Gäste kommen doch dann gar nicht mehr von Freital zurück.“

Dabei sitzt seit Monaten eine Arbeitsgruppe unter Federführung des Tourismusverbandes Erzgebirge zusammen und schmiedet Pläne, wie die Fahrgäste, die in Kipsdorf aussteigen, weitere Ziele ansteuern können. So ist im Gespräch, zum Beispiel mit der Altenberger Bimmelbahn auf Rädern Besucher zu empfangen und weiter gemütlich ins Bergland zu befördern, wo sie wandern, einkehren oder Sport und Spiel frönen können. So ließe sich auch die Weißeritztalbahn mit der Müglitztalbahn verbinden. Aber wie denn, wenn der Zug in Kipsdorf erst 15.41  Uhr ankommt? Projektmanagerin Anke Eichler vom Tourismusverband Erzgebirge ringt um Worte. „So funktioniert das nicht“, sagt sie. „Wenn Gäste mit der Bahn in Kipsdorf ankommen, können sie ja kaum einen Kaffee trinken.“ Denn sie haben gerade mal 21  Minuten Aufenthalt, dann fährt der Zug wieder ab Richtung Freital. Nicht mal ein Zwischenstopp in Dippoldiswalde lohne sich für die Gäste aus dem Kammgebiet dann. Der Zug rollt hier 16.40  Uhr am Bahnhof ein. Interessante touristische Einrichtungen wie das Lohgerbermuseum schließen 17  Uhr.

Aus Sicht von Tourismus-Chefin Veronika Hiebl geht so ein Fahrplan definitiv nicht. Sie befürchtet sogar, dass auf der Basis niemand entlang der Strecke bereit ist, auch nur einen einzigen Euro zu investieren, „weil dann sowieso nur wenige Gäste kommen“. Da sei keine Motivation mehr vorhanden. Inzwischen haben sich die Vertreter der Tourismusbranche aus dem Osterzgebirge näher mit dem Entwurf befasst. „Die Einschätzung ist vernichtend“, teilten sie dem Verkehrsverbund Oberelbe und dem Bahnbetreiber, der Sächsischen Dampfeisenbahngesellschaft, mit. „Niemand kann glauben, dass der Fahrplanentwurf ernst gemeint ist, denn der touristische Nutzen geht gegen null!“

Der Tourismusverband Erzgebirge und der Wirtestammtisch Altenberg-Geising fordern in dem Brief beide Unternehmen auf, den Entwurf des Fahrplanes grundlegend zu überarbeiten und die touristischen Interessen zu berücksichtigen. Wenigstens zweimal am Tag müsste ein Zug durchgehend zwischen Freital und Kipsdorf und zurück verkehren. Schließlich gehe es auch um erhebliche Investitionen, die gegenüber dem Steuerzahler zu rechtfertigen sind. Der erste Abschnitt des Wiederaufbaus von Freital nach Kipsdorf kostete rund 23  Millionen Euro und ging 2008 in Betrieb. Für den zweiten Abschnitt bis Kurort Kipsdorf sind noch einmal 18  Millionen Euro veranschlagt, der soll in diesem Jahr fertig werden.

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