„Die Weißeritztalbahn braucht mehr Strahlkraft“

Touristiker wollen einen befahrbaren Weihnachtsmarkt. Das wäre eine Deutschland-Premiere, sagt Fachfrau Anke Eichler.

01.10.2018

Frau Eichler, die Weißeritztalbahn fährt seit knapp anderthalb Jahren wieder bis zum Endpunkt in Kurort Kipsdorf. Wie rollt’s aus Sicht der Tourismus-Fachfrau?

Sehr gut, aber ehrlich, davon sind wir auch ausgegangen. Die Euphorie war schon groß, als 2008 die Weißeritztalbahn erstmals wieder nach der Flut sechs Jahre zuvor auf dem ersten Abschnitt von Freital-Hainsberg bis Dippoldiswalde fuhr. So war es auch diesmal. Es sind nicht nur viele Gäste eingestiegen, sondern auch Einwohner. Das Interesse ist groß. Das ist der Reiz des Neuen, aber der verfliegt irgendwann einmal. Deshalb ist es jetzt wichtig für alle Partner, nicht loszulassen und weitere Angebote zu entwickeln. Wir wissen schon vor der Zeit des Hochwassers im Jahr 2002, dass man die Bahn nicht im Selbstlauf fahren lassen kann. Es ist eine wunderschöne Strecke, aber die Haltepunkte sind nicht so spektakulär. Da braucht es mehr. Und da ist auch schon einiges geworden.

Was zum Beispiel?

Es gibt Saisonhöhepunkte, wo besonders viele Gäste unterwegs sind. So fährt Braumeisters Dampfzug, der Märchenzug wurde etabliert, es gibt geführte Wanderungen entlang der Strecke. Wir haben eine Karte herausgebracht für eine Entdeckertour mit der Weißeritztalbahn und weiter mit Wanderstock oder Fahrrad, bei der wir unsere touristischen Angebote wie die Talsperre Malter oder das Schulmuseum in Schmiedeberg in Szene gesetzt haben. Neu sind zum Beispiel Kräutertouren mit einem Abstecher in die Altenberger Kräuterlikörfabrik. Höhepunkt ist natürlich das Schmalspurbahnfestival mit bis zu 14 000 Besuchern. Aber da ist noch Luft nach oben. Ansonsten hat die Weißeritztalbahn noch nicht so eine große Strahlkraft, vor allem im Winter.

Wie kann die Bahn an Attraktivität gewinnen?

Wir sind auf Weihnachten gekommen. Das Erzgebirge ist bekannt als das Weihnachtsland. Die Weißeritztalbahn wird dafür schon mit genutzt. Es gibt in den Orten auch kleine, hübsche Weihnachtsmärkte, die für Einwohner, Vereine und Gewerbetreibende eine feste Größe im Veranstaltungsprogramm des Jahres und nicht wegzudenken sind. Aber die großen Profiteure sind wir nicht. Wegen drei Hütten am Bahnhof, einmal zugespitzt gesagt, kommt kaum ein Gast von weiter her angereist, um ausgerechnet diesen Weihnachtsmarkt zu besuchen. Das machen andere besser. Die Weihnachtshochburgen sind im mittleren und westlichen Teil des Erzgebirges, in Freiberg zum Beispiel, in Seiffen und Annaberg-Buchholz. Dort fragen die Gäste schon zwei Jahre vorher an, weil sie Weihnachten mit einer Bergparade erleben wollen. Diese Weihnachtsmärkte locken jedes Jahr mindestens über 20 000 Besucher an. So etwas fehlt uns im Osterzgebirge. Das ist aber zugleich auch eine Chance. Denn der Trend geht bei den Besuchern zu individuellen Weihnachtsmärkten mit viel Handwerk, liebevoller Gestaltung, stimmungsvoller Musik und Bezug zur Region.

Gibt es denn eine Idee, mit der die Region Weihnachten punkten könnte?

Wir wollen Weihnachten und die Weißeritztalbahn zusammenbringen und versuchen, aus vielen kleinen Aktivitäten etwas Großes zu machen. Wir möchten Einwohner und Gäste zum ersten befahrbaren Weihnachtsmarkt Deutschlands einladen. Das haben die Mitglieder der Arbeitsgruppe „Angebote Weißeritztalbahn“ Anfang September mehrheitlich beschlossen.

Woher wissen Sie, dass es so etwas tatsächlich noch nicht gibt?

Ich habe recherchiert und in der Art noch nirgends etwas gesehen.

Wie müssen wir uns einen rollenden Weihnachtsmarkt vorstellen?

Es gibt schon den Kleinbahnadvent am ersten Adventswochenende. Diese Veranstaltung wollen wir deutlich ausbauen und attraktiver machen. Dem Gast soll in der Bahn selbst, aber auch an den Bahnhöfen etwas geboten werden. Aber nicht immer etwas Ähnliches. Um verschiedene Zielgruppen anzusprechen, ist die Idee, an jedem Bahnhof ein bestimmtes Thema weihnachtlich zu präsentieren. So könnten wir uns zum Beispiel in Freital-Hainsberg in Zusammenarbeit mit dem Hains eine Eis(en)-Bahn mit Eisshow im Hains vorstellen. Oder in der Rabenauer Mühle eine Kerzenwerkstatt, wo die Besucher auch selbst Kerzen ziehen können. An unserem höchstgelegenen Bahnhof in Kurort Kipsdorf wäre zum Beispiel das Thema Wintersport denkbar mit Iglu, Laser-Biathlonschießen und Bob-Anschubstrecke. An anderen Stationen könnte das Thema Holz und Handwerk eine Rolle spielen, Genuss mit typisch erzgebirgischen Weihnachtsspezialitäten oder eine Glühweinmeile mit Verkostung und Test.

Wer soll das machen und setzt sich dafür den Hut auf?

Klar, das klingt alles sehr schön, aber die Leute vor Ort müssen mitmachen, sich einbringen. Wir in der Arbeitsgruppe „Angebote Weißeritztalbahn“ sammeln jetzt Ideen. Wir stehen mit den Orten entlang der Strecke in Kontakt und fragen, was sie schon machen und was sie sich noch vorstellen können. Dazu müssen dann Mitwirkende gesucht werden. Das Ganze zu koordinieren, soll Aufgabe des Projektmanagers der Weißeritztalbahn sein, den die Kommunen entlang der Strecke vor wenigen Monaten eingestellt haben. Wir bitten dabei die Bürgermeister um Unterstützung.

Das klingt, als bräuchte das mehr Vorbereitungszeit, als bis zum ersten Advent verbleibt …

Richtig. Wir sind von der Idee abgerückt, erst mal in diesem Jahr mit dem zu beginnen, was wir haben. Das bringt nichts. Wir wollen etwas Großes mit Strahlkraft, einen echten Reiseanlass! Deshalb soll der erste befahrbare Weihnachtsmarkt Deutschlands 2019 starten, und zwar gleich als Kracher. Bis Jahresende wollen wir die Themen festmachen und ab Januar schon ins Marketing gehen. Hotels könnten das so mit in ihre Weihnachtsangebote aufnehmen. Dann ist die Chance viel größer, dass diese Pauschalreisen auch gebucht werden.

Das Gespräch führte Mandy Schaks.

Artikel-URL: http://www.sz-online.de/nachrichten/die-weisseritztalbahn-braucht-mehr-strahlkraft-4024011.html

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